Dieser kurze Artikel hat ein wesentliches Ziel: DIE BEANTWORTUNG DER IM TITEL AUFGESTELLTEN FRAGE
Seitdem im Juli 2018, die in dieser Form zwar etwas überraschende, jedoch keineswegs unerwartete, Änderung des BPG zur Unverfallbarkeit von direkten Leistungszusagen erfolgte, kursieren im Internet bzw. in der Branche selbst vereinzelt einige wenig sachliche Aussagen zu dieser Änderung. Beispiele daraus:
- "Die direkte Leistungszusage ist jetzt kein Bindungsinstrument mehr"
- "Die direkte Leistungszusage ist jetzt so etwas wie eine BKV oder Pensionskasse"
- "Eine Firmenpensionszusage ist jetzt als Bindungsinstrument vollkommen untauglich und schwer abwickelbar"
Solche "Statements" vermögen eher zu verunsichern. Dass es durchaus komplexe Fragestellungen geben kann, ist unbestritten (dazu am Ende des Artikels unter "Bestehende Pensionszusage" mehr). Obige Aussagen "zur Eignung als Bindungsinstrument" sind jedoch bereits im Kern falsch - und einige Kolleginnen und Kollegen aus der bAV haben das auch sofort erkannt.
Folgender Überblick soll kein Gutachten oder eine ausführliche Befassung sein und wird sich deshalb im Rahmen halten. Mir ist jedoch wichtig, die vereinzelt kursierenden Interpretationen ins rechte Licht zu rücken und die Änderung objektiv zu betrachten.
egal wie das Dienstverhältnis endet - unverfallbarkeit tritt nach drei jahren ein
Am 5.7.2018 im Nationalrat beschlossen, rückwirkend gültig ab 21.5.2018 (dieses Datum hängt an einer Umsetzungsfrist der sogenannten "Portabilitätsrichtlinie [Portabiltitäs-RL]" der EU) - wurden einige Passagen im Betriebspensionsgesetz (BPG) in wesentlichen Inhalten geändert.
Die wesentlichen Punkte die direkte Leistungszusage betreffend:
- Verkürzung der maximalen gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist auf drei Jahre
- Ist die Unverfallbarkeitsfrist abgelaufen, so tritt bei Beendigung des Dienstverhältnisses Unverfallbarkeit UNABHÄNGIG VON DER ART DER BEENDIGUNG ein. Also beispielsweise auch bei Selbstkündigung oder Entlassung.
Diese Änderungen betreffen insbesondere den § 7 BPG (Regelungen zur Unverfallbarkeit) sowie konsistent in weiterer Folge auch § 8 BPG (Regelungen zu Einstellung, Aussetzung und Einschränken künftiger Anwartschaften). Eine kleinere, eher unbedeutende, Änderung erfuhr auch § 17 BPG (Auskunftspflichten).
Mehr zur direkten Leistungszusage allgemein erfahren Sie hier.
die Tragweite der Änderung der Unverfallbarkeit im bpg
Wo vorher Regelungen bis zum Eintritt der Unverfallbarkeit bis zu zehn Jahren möglich waren (gesetzliche Frist fünf Jahre), sind es jetzt nur noch drei Jahre. Wo vorher jederzeit bei Selbstkündigung, berechtigter Entlassung oder unberechtigtem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers alle Ansprüche verfallen sind, ist jetzt nach Ablauf von drei Jahren mindestens der gesetzliche Unverfallbarkeitsbetrag zu leisten (siehe dazu etwas weiter unten). All dies ist bei neuen Pensionszusagen jedoch meines Erachtens weniger problematisch. Deutlich problematischer ist:
DIESE ÄNDERUNGEN GELTEN AUCH FÜR BESTEHENDE PENSIONSZUSAGEN VOR DEM 21.5.2018!!!
Die wahren Fragen können bei diesen bestehenden Zusagen auftreten (siehe dazu den Punkt "Bestehende Pensionszusagen")
Über den Eingriff in BESTEHENDE VERTRÄGE sowie die Formulierung der endgültigen Regelung im § 7 BPG (Stichwort: "Gold Plating") sei an dieser Stelle kein Wort mehr verloren. Fakt aber ist: die Umsetzung der Portabilitäts-RL an sich, insbesondere der Verkürzung der Frist auf drei Jahre, war mE unabdingbar und erwartbar.
die neuen unverfallbarkeitsregelungen im BPG - wen betrifft es und wie
welche leistungszusagen für welche Personen sind eigentlich betroffen
Hier gilt es zu unterscheiden:
- Zusagen an Personen, auf welche kraft Gesetz das BPG anzuwenden ist
- Zusagen an Personen, bei welchen das BPG nicht anzuwenden ist, dessen Geltung in der Zusage jedoch für einige Punkte als vereinbart gilt.
Zu Punkt 1
Das BPG gilt NICHT für Vorstände von Aktiengesellschaften, dem Großteil der GGF und für Leistungszusagen, welche jederzeit widerruflich sind (auf welche wir hier mangels Relevanz nicht eingehen).
In der Praxis hat sich die Leistungszusage als echtes Bindungsinstrument für Arbeitnehmer (noch) nicht wirklich durchgesetzt, die Zahl der betroffenen Personen mit bestehenden Zusagen darf also zumindest als überschaubar betrachtet werden.
Zu Punkt 2
Hier sind insbesondere die Zusagen an Vorstände von Aktiengesellschaften und GGF mit Anteilen über 25 % betroffen. Hier kann es sein, dass "eine Anwendung des BPG (in zum Zeitpunkt der Zusage gültiger oder jeweils aktuell gültiger Fassung) vereinbart wird, wenn nicht in der Zusage eine für die begünstigte Person günstigere Vereinbarung getroffen wurde". Diese an sich sinnvolle Regelung, könnte durch die neue Rechtslage unter Umständen in Einzelfällen zu Diskussionen führen (siehe dazu auch den Punkt "Bestehenden Pensionszusagen").
Der gesetzliche unverfallbarkeitsbetrag (UVB)
Mangels einer für die begünstigte Person günstigeren Vereinbarung (diese könnte lauten: der Rückkaufswert aus der Pensionsrückdeckungsversicherung) kommt bei Beendigung des Dienstverhältnisses vor Eintritt eines Leistungsfalles die gesetzliche Regelung zum Tragen, soferne ab Erteilung der Zusage drei Jahre vergangen sind. Dies UNABHÄNGIG von der Art der Beendigung des Dienstverhältnisses.
Die Berechnung des gesetzlichen UVB ist in § 7 Abs. 2a BPG mit folgenden Parametern normiert:
- Teilwertverfahren (kann beispielsweise auch bei der Rückstellungsberechnung verwendet werden)
- versicherungsmathematische Grundsätze wie bei der Rückstellungskalkulation (Konkret: Sterbetafel welche bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen zur Anwendung kommt)
- Altersberechnung ab Erteilung der Zusage und das Anfallsalter
- Rechnungszinssatz von 7 %
- Nichtberücksichtigung der Teile der Anwartschaft, welche sich auf eine Berufsunfähigkeitspension beziehen
- (Gehalts)Steigerungen sind nur bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen
Der gesetzliche Unverfallbarkeitsbetrag wird in aller Regel also geringer als die gemäß den Regelungen des UGB bzw. gar des EStG ermittelten Pensionsrückstellung sein.
unverfallbarbeitsbetrag versus Rückstellung im UGB und EStG
Ein vereinfachtes Beispiel: Ein Mann (40 Jahre alt) erhält per 1.1.2018 eine Pensionszusage in Höhe von EUR 500, 14 x p.a. ab Alter 65. Es ist keine Valorisierung vereinbart, ebenso keine Leistung bei Tod oder Berufsunfähigkeit. Vereinfacht nehmen wir im UGB einen Zinssatz von 2 % durchgehend an (Sterbetafel AVÖ 2008 Angestellte, Berechnung mit ix). Aufwertungen sind ausdrücklich ausgeschlossen. Zahlen gerundet und in EUR
Stichtag | Rückstellung gemäß § 14 Abs. 6EStG | Rückstellung gemäß § 211 UGB | UVB gemäß § 7 Abs. 2a BPG |
31.12.2018 | 988 | 2.627 | 781 |
31.12.2023 | 6.944 | 16.701 | 5.632 |
31.12.2028 | 15.202 | 32.829 | 12.678 |
31.12.2033 | 27.511 | 52.921 | 23.656 |
31.12.2038 | 49.400 | 83.762 | 43.936 |
neu erteilte Pensionszusagen als bindungsinstrument im lichte der neuen Regelung im bpg
die Formulierung des Passus zur Unverfallbarkeit ist ausschlaggebend
Maßgeblich wird bei Personen, welche dem BPG unterliegen - UND für welche man ein effektives Bindungsinstrument schaffen möchte - sein, in der Zusage selbst eine klare Unterscheidung nach Beendigungstatbeständen des Dienstverhältnisses zu schaffen.
Optimal eignet sich generell die beitragsorientierte Pensionszusage, oder direkte Leistungszusage in beitragsorientierter Form, als Bindungsinstrument. Mehr zu dieser modernen Form der Entlohnung erfahren Sie hier.
Möglichkeit
- Bei Beendigung des Dienstverhältnisses innerhalb der ersten drei Jahre ab Erteilung der Zusage gebührt kein Anspruch
- Bei Beendigung des Dienstverhältnisses infolge Selbstkündigung, berechtigter Entlassung und unberechtigtem vorzeitigem Austritt nach Ablauf von drei Jahren ab Erteilung der Zusage gebührt der gesetzliche Unverfallbarkeitsbetrag
- Bei allen anderen Formen der Beendigung des Dienstverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren ab Erteilung der Zusage gebührt ein höherer Betrag als der gesetzliche (beispielsweise Deckungskapital inkl. erworbener Gewinnbeteiligung bzw. der "Rückkaufswert" einer Pensionsrückdeckungsversicherung)
Auf die Formulierung ist besonders Bedacht zu nehmen!
Beitragsorientierte Zusage und gesetzlicher UVB - ein beispiel
Eine Frau (40 Jahre alt) erhält per 1.1.2018 eine Pensionszusage, bei welcher sich die Pension ab Alter 65 aus einer Rentenversicherung, welche im Eigentum des Arbeitgebers steht, ergibt und in welche der Arbeitgeber fix EUR 300 im Monat einbezahlt. Als Unverfallbarkeitsfrist werden drei Jahre UND als Unverfallbarkeitsbetrag grundsätzlich ein Wert, welcher dem aktuellen Kapital (Rückkaufswert!!!) in der Rentenversicherung entspricht vereinbart. Ausnahme: bei Selbstkündigung, berechtigter Entlassung bzw. unbegründetem vorzeitigem Austritt gilt als UVB der gesetzliche Wert gemäß § 7 Abs. 2a BPG.
Parameter Versicherungstarif: Rententarif eines österr. Versicherers, Kapitalrückgewähr bei Ableben, Normalrente
Parameter UVB: AVÖ 2008-P-Angestellte, 7 % Rechnungszinssatz, Berechnung ohne ix (Werte somit etwas höher als mit ix)
Uns interessiert: wie verhält es sich im Falle einer Selbstkündigung, wie hoch ist der Verlust der Arbeitnehmerin bei Selbstkündigung, Entlassung oder unberechtigtem Austritt? Darstellung in absoluten Zahlen inkl. Verlust bei Selbstkündigung und Diagramm (zum Vergrößern Bilder einfach anklicken).
NICHT BERÜCKSICHTIGT IN OBIGER DARSTELLUNG
In den ersten drei Jahren ist der UVB sogar auf NULL, der Verlust liegt also bei 100 %. Zur Veranschaulichung ist jedoch der UVB fiktiv ab Beginn errechnet.
Berechnung des unverfallbarkeitsbetrages in der praxis
Man könnte meinen, dies wäre in der Praxis bei der laufenden Abwicklung schwer machbar. Woher soll ein Arbeitgeber im Falle des Schlagendwerdens des gesetzlichen UVB die Werte nehmen?
Grundsätzlich würde man zu einem versicherungsmathematischen Gutachten raten. Zur schnellen und insbesondere äußerst ökonomischen Abwicklung in der Praxis kann man jedoch effizient eine ebenso passende Herangehensweise wählen. Ein Gutachten würde ich auf alle Fälle jedoch im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Verfahrens empfehlen. Generell mehr zum Thema "Gutachten" in einem Blog-Beitrag im November/Dezember.
die leistungszusage ist also nach wie vor ein ideales bindungsinstrument
Wie man im Beispielfall sieht, kann der Verlust bei Selbstkündigung nach wie vor enorm sein. Daran werden auch die neuen Sterbetafeln für die Berechnung des UVB (wahrscheinlich erstmalig anwendbar per 31.12.2018) nicht viel ändern.
Fakt ist, der Verlust ist mitunter derart hoch, dass ein Arbeitnehmer dies mit Sicherheit in die Erwägungen über einen Wechsel des Dienstgebers einbeziehen muss! Wir bewegen uns nach wie vor in Höhen die durchaus mit der Abfertigung ALT vergleichbar sein können. Soviel zum Thema "nicht mehr als Bindungsinstrument geeignet"...
Wir können grundsätzlich also zusammenfassen:
- die Leistungszusage hat wenig von ihrer Attraktivität als Bindungsinstrument eingebüßt
- die Verkürzung der Frist auf drei Jahre sollte bei neuen Zusagen in der Praxis wenig bedeutend sein
- die Abwicklung bei Austritten kann etwas komplexer werden (da man uU den gesetzlichen UVB benötigt) - dies kann aber, wenn vereinbart und gut geregelt, schnell und (kosten-)effizient erfolgen
- auch im Lichte der neuen BPG-Regelung ist die beitragsorientierte Pensionszusage meines Erachtens für die Zukunft das Maß aller Dinge (aus bilanziellen Aspekten ohnehin)
Ich sehe durch die Änderung des BPG von Juli 2018 keine gröberen Nachteile für zukünftige Zusagen im Sinne moderner Gehaltsmodelle. Im Gegenteil: die Änderung kann man eventuell sogar als Chance betrachten.
vor dem 21.5.2018 bestehende pensionszusagen
Hier befinden wir uns in einem gewissen Spannungsfeld. Der Eingriff in bestehende Verträge und die mitunter nicht ganz klaren Übergangsregelungen werfen einige Fragestellungen auf:
- welcher Betrag steht nun zu, wenn ein Dienstverhältnis aufgrund Selbstkündigung endet und eine Zusage besteht, welche beispielsweise im Jahr 2010 erteilt worden ist?
- wie hoch ist der Unverfallbarkeitsbetrag bei Zusagen, welche nach den "alten, und in der Branche gängigen, Mustern" erstellt worden sind?
- ab wann tritt eigentlich die Unverfallbarkeit ein bzw. beginnt die 3-Jahres-Frist zu laufen?
- ...
Nach Rücksprache mit einem langjährigen versicherungsmathematischen Gutachter und einem Arbeitsrechtler bzw. dem Sichten der (historischen) BPG-Materialien nach der erfolgten Gesetzesänderung möchte ich, um im Rahmen des BLOG-Artikels zu bleiben, zwei wesentlichen Punkte nur rudimentär darstellen:
1. Werte:
Die verbrachten Zeiten seit Erteilung der Zusagen sind bei der Berechnung gemäß § 7 Abs. 2a zu berücksichtigen. Zeiten vor dem 21.5.2018 können für die Bestimmung des Wertes an sich ausgeschieden werden. Eher arbeitnehmerfreundlich, aber rechtlich auf der sicheren Seite für den Arbeitgeber, ist eine Aliquotierungsregelung zwischen verschiedenen UVB-Stichtagen. Sinngemäß ist vorzugehen, wenn als UVB ein anderer Wert als jener des § 7 Abs. 2a definiert ist.
2. Definition des Unverfallbarkeitsbetrages, Fristen:
JEDE Zusage muss hier einzeln nach der gewählten Formulierung betrachtet werden. Maßgeblich ist, was die Parteien eindeutig vereinbart hatten.
Soferne möglich, empfehle ich, Pensionszusagen, auf welche das BPG anzuwenden ist und es sich um echte Arbeitnehmer handelt, im Sinne der Rechtssicherheit zu ändern (wobei man hier auch gleich einige andere Anpassungen "mitnehmen könnte", beispielsweise in Hinblick auf Bilanzierung, Modernisierung, usw.).
Die Auswirkungen auf bestehende Zusagen sollte man weder über- noch unterbewerten. Doch kann das Thema auch bei GGF mit Anteilen über 25 % maßgeblich sein, wenn die Anwendung des BPG quasi in der Zusage vereinbart worden ist. Maßgeblich nämlich dann, wenn der GGF als begünstigte Person nicht alleiniger Eigentümer der GmbH ist...
offene Fragestellungen zur bpg-Novelle 2018?
SIE HABEN FRAGEN DAZU? WIR HABEN DIE ANTWORTEN :-)
Insbesondere für Anbieter von bAV-Lösungen ergeben sich nicht nur Fragen, sondern besteht vielleicht auch Handlungsbedarf im Sinne der Servicierung von Kunden bzw. Vermittlerpartnern.
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Beste Grüße,
Markus Reindl