Aufgrund eines aktuellen Anlassfalles eines Klienten möchte ich gerne ein – in der Branche durchaus heikles – Thema aufzeigen, welches gerne als "nebensächlich" bagatellisiert wird: die möglichen Schäden und daraus resultierenden Haftungen aus einer unklar textierten/fehlerhaften Pensionszusage. Der einfacheren Lesbarkeit halber möchte ich auf juristische Definitionen und Begriffe soweit wie möglich verzichten.
AUSGANGSITUATION: DAS UNVERBINDLICHE MUSTER FÜR EINE PENSIONSZUSAGE
Im Zuge der Vermittlung von Pensionsrückdeckungsversicherungen werden dem Versicherungsnehmer in der Praxis auch mehr oder weniger "kongruente" (das heißt auf den Versicherungsvertrag abgestimmte) „Direkte Leistungszusagen“ ausgehändigt, die mit der Anbotslegung – bis auf wenig Ausnahmen – vom Versicherer selbst erstellt werden.
Der Versicherer versucht sich gegen etwaige Haftungsrisiken abzusichern, indem er die Entwürfe von Direkten Leistungszusagen als „Muster“ deklariert bzw. mit verschiedenen „Unverbindlichkeitshinweisen“ versieht.
Die Zurverfügungstellung von Musterzusagen stellt zweifelsohne einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern von Lebensversicherungen dar, welche kein derartiges Muster zur Verfügung stellen.
haftung: warum und wer für wen
Verantwortung als "sachverständiger"
Gemäß den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB haftet ein „Sachverständiger“ für verschuldete Schäden, die im Zuge eines entgeltlichen Geschäfts entstehen. Aufgrund des strengen Sorgfaltsmaßstabs gemäß § 1300 ABGB haftet der Sachverständige defacto immer. Als "Sachverständiger" (nicht zu verwechseln mit einem Sachverständigen im allgemeinen Sprachgebrauch!) ist dabei jeder zu verstehen, "der zu erkennen gibt, dass er sich die erforderlichen Kenntnisse zutraue".
Erstellt daher ein Versicherer für den Versicherungsnehmer ein Muster für eine Leistungszusage (= arbeitsrechtlicher Vertrag), so gilt er – laut Auskunft des Versicherungsjuristen Dr. Roland Koppler – als Sachverständiger. Weil die Erstellung/Textierung einer Leistungszusage außerdem eine entgeltliche Nebenleistung zum Versicherungsvertrag darstellt, hat der Ersteller des Musters für allfällige Mängel und daraus resultierende Vermögensschäden auch einzustehen, so Koppler. Auch wenn für das Muster selbst kein Honorar verrechnet wird, so ist dennoch Entgeltlichkeit anzunehmen, da die Zusage die Grundvoraussetzung für den Versicherungsvertrag darstellt (welcher wiederum zu Prämieneinnahmen oder anderen Vergütungen, beispielsweise Provision, führt).
Wer hat für eine unklare/fehlerhafte pensionszusage einzustehen
Entsprechende Vermittlungstätigkeiten von Angestellten und (Ausschließlichkeits)Agenten des Versicherers sind ihm iSd Erfüllungsgehilfenhaftung des § 1313a ABGB zuzurechnen. Versicherungsmakler haften als "Bundesgenossen des Versicherungsnehmers" eigenständig für mangelhafte Muster von Leistungszusagen, auch wenn diese vom Versicherer zur Verfügung gestellt werden. Mögliche Regressansprüche des Maklers gegenüber dem Versicherer sind vom Einzelfall abhängig.
Nach Meinung von Rechtsanwalt Mag. Thomas Bodingbauer von der Linzer Kanzlei GKP sind marktübliche „Unverbindlichkeitshinweise“ und die Deklaration als „Muster-Pensionszusagen“ nicht geeignet, den Versicherer bzw. Makler von der Haftung zu befreien. Insbesondere schon deshalb, weil diese "Muster" in aller Regel bereits vollständig vorausgefüllt und personalisiert, gemeinsam mit dem Angebot zur Rückdeckungsversicherung, übermittelt werden.
FAZIT: Den Ersteller des Zusagenmusters bzw. den Versicherungsmakler, welcher ein falsches und/oder unklar formuliertes Muster in Umlauf bringt, kann somit eine Haftung treffen.
schaden: um wieviel kann es gehen
Neben Kausalität, Verschulden und Rechtswidrigkeit ist natürlich der Schaden selbst Voraussetzung für eine allfällige Haftung.
Der "Schaden" kann seine Wurzel beispielsweise in einer Formulierung haben, welche zum Zeitpunkt der Muster-erstellung bereits steuerschädlich war (zumindest aber bereits bedenklich) oder in unklaren Formulierungen, welche zu nicht gewollten Leistungsverpflichtungen gegenüber begünstigten Mitarbeiter/Innen führen.
Je nach Art der Zusage kann die Schadensumme von wenigen hundert EUR bis zu einem hohen mehrstelligen Betrag ausmachen. Der Schaden für den Versicherungsnehmer kann sich aus zusätzlichen Steuerberatungs- oder Rechts-anwaltskosten bis hin zu ungeplanten Abfindungszahlungen für den begünstigten Mitarbeiter/Innen aufgrund unklarer Unverfallbarkeitsformulierungen ergeben.
Direkte Leistungszusagen sind zumeist sehr langfristige Verträge. Auf eine Verjährung allfälliger Schadenersatzansprüche wird man sich dabei kaum berufen können, da die 3-jährige Verjährungsfrist erst ab Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen beginnt.
Nicht selten werden im Zuge einer "vertriebsorientierten" Formulierung einer Zusage steuerliche Grenzen mehr als ausgereizt. Wenn "der Kunde das aber unbedingt so will", so ist eine ausreichende Dokumentation unabdingbar.
Inwieweit und ob überhaupt klassische Berufshaftpflichtversicherungen (insbesondere für Versicherungsmakler) Deckung für derartige Schadenersatzverpflichtungen gewähren, wird Thema eines unserer nächsten Beiträge oder Artikel sein.
die lösung: klare trennung
Die Pensionsrückdeckungsversicherung ist zweifelsohne ein Versicherungsgeschäft. Dass diese der Bedeckung einer Pensionszusage dient oder, im Fall von beitragsorientierten Zusagen, eine Bemessungsgrundlage darstellt, macht aber die Pensionszusage selbst nicht zum Versicherungsprodukt. Diesen Gedankengang sollte man auch in Hinblick auf IDD und dem Deckungsumfang diverser Berufshaftpflichtversicherungen weiterverfolgen (siehe oben).
Eine saubere Lösung wäre, Formulierungen von Leistungszusagen – ohne Unverbindlichkeitshinweis etc – von externen Spezialisten (die marCKus bAV-Consulting steht hierfür gerne zur Verfügung) erstellen zu lassen. Dies erfordert nur unwesentlich mehr Zeit- und Kostenaufwand und das Haftungsrisiko ist kein Thema mehr.
Da den Vertragsersteller grundsätzlich die gesamte Vertragsdauer hindurch Informationsverpflichtungen (auf Basis der allgemeinen Sorgfaltspflicht) begleiten, sollten laufende Wartungen von Leistungszusagen, beispielsweise bei relevanten Gesetzesänderungen, einkalkuliert werden.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal auf den eingangs erwähnten Fall zurückkommen. In diesem Fall wurde vor Jahren eine Pensionszusage mittels "unverbindlichem Muster" (was kurioserweise immer noch auf der Zusage zu lesen ist) vereinbart und eine Lebensversicherung mit hoher Prämie als Rückdeckung abgeschlossen. Steuerlich ist diese Zusage dem Grunde nach nicht anerkannt, was zum Zeitpunkt der Erstellung der Musterzusage bereits eindeutig aus den geltenden Einkommensteuer-richtlinien herauslesbar war. Die Nichtanerkennung durch den Betriebsprüfer zieht nun eine Reihe steuerlicher und abgaberechtlicher Komplikationen nach sich. Hier wird sich der Versicherungsnehmer in erster Linie an den Versicherungsmakler wenden, denn dieser hätte in seiner Eigenschaft als "Sachverständiger" (siehe oben) das Muster prüfen und den Versicherungsnehmer auf das Risiko der steuerlichen Nichtanerkennung hinweisen müssen.
Unabhängig von der Pensionszusage kann auch die vermittelte Versicherungsdeckung mangelhaft sein. Dies tangiert dann eher die "klassische" Beraterhaftpflicht eines Versicherungsvermittlers.
Ein Tipp zum Schluss: Lassen Sie sich durch diesen Beitrag bei der Vermittlung von Pensionsrückdeckungsversicherungen bitte nicht verunsichern! Hier ist nach wie vor ein riesiges Potential vorhanden, das es zu heben gilt. Aber seien Sie sich bewusst, dass das Thema der "Pensionszusagen-Muster" ein nicht zu unterschätzendes ist. Das Auslagern dieses Risikos an einen Dritten kann ein probates Mittel sein, um in diesem Geschäftsfeld noch erfolgreicher zu werden.
Beste Grüße
Marcus Stopper