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EINSTELLEN UND AUSSETZEN bei bAV-Lösungen aus wirtschaftlichen Gründen. Was in der Praxis wichtig ist

Das Thema Widerruf, Aussetzen und Einschränken von bAV-Lösungen ist in seiner Gesamtheit äußerst vielfältig, da hier mehrere Faktoren und Voraussetzungen ineinandergreifen. Viel wichtiger erscheint mir an dieser Stelle kurz auf die Fälle und Punkte einzugehen, welche die "normale" Praxis auch widerspiegeln. Gerade in der aktuellen Situation sind richtige Antworten auf essentielle Fragen maßgeblich, insbesondere da auch einige Fehleinschätzungen dazu kursieren.

 

Das Thema "Widerruf" ("Einstellen") soll hier grundsätzlich ausgeklammert werden, weil die Voraussetzungen dafür sehr streng sind und dieser ohnehin nur der allerletzte Schritt sein sollte. Nur kurz dazu: Widerruf bedeutet, das Ende des Erwerbes weiterer Anwartschaften, erworbene Anwartschaften bleiben in aller Regel erhalten. Ein Wiedereinsetzen des Anwartschaftserwerbs setzt eine neue Vereinbarung voraus. Ebenso wird auf das Aussetzen oder Einschränken laufender Pensionsleistungen, mangels Praxisrelevanz nicht eingegangen (nur soweit: dies kann nur bei direkten Leistungszusagen in Einzelfällen denkbar sein).

 

Bei der direkten Leistungszusage wird auch ein kleines vereinfachtes Praxisbeispiel angeführt. Bitte beachten Sie, dass Folgendes nur einen kurzen Überblick darstellen kann.

ALLGEMEINES ZU AUSSETZEN UND EINSCHRÄNKEN

"Aussetzen" bedeutet, dass der Erwerb weiterer Anwartschaften einseitig durch den Arbeitgeber für eine gewisse Zeit eingestellt wird. Im Versicherungsjargon würde man es "Prämienfreistellung" nennen.

 

"Einschränken" bedeutet, dass der Erwerb weiterer Anwartschaften einseitig durch den Arbeitgeber für eine gewisse Zeit reduziert wird. Vereinfacht könnte man es "Prämienreduktion" nennen.

 

Das Betriebspensionsgesetz (BPG) knüpft dies an wesentliche Voraussetzungen, insbesondere dem Vorliegen "zwingender wirtschaftlicher Gründe" und einer bestehenden Vereinbarung, welche eine Option zum Aussetzen oder Einschränkens beinhaltet (zB in einer Pensionszusage, Einzelvereinbarung, Betriebsvereinbarung). Ein zusätzliches Kriterium bei der Abwicklung eines solchen Vorganges kann sein, ob es einen Betriebsrat in einem Unternehmen gibt oder nicht.

nachzahlung nach ende des aussetzens oder einschränkens

Wichtig ist, dass der Erwerb von Anwartschaften wieder wie vereinbart einsetzt, wenn die "zwingenden wirtschaftlichen Gründe" nicht mehr vorliegen.  Die ausgesetzten oder eingeschränkten Zeiten sind nicht nachzuzahlen, wobei man dies natürlich vorab vereinbaren oder aber der Arbeitgeber dies einseitig freiwillig tun kann, wenn die wirtschaftliche Lage wieder "normal" ist.

zwingende wirtschaftliche gründe

Das BPG definiert diese Gründe nicht, wohl aber die einschlägige Literatur. Als Beispiele für zwingende wirtschaftliche Gründe werden beispielsweise genannt:

  • Arbeitsplätze können nur durch Aussetzen oder Einschränken gewahrt werden
  • betriebswichtige Investitionen können nicht getätigt werden
  • der Arbeitgeber ist außerstande Lieferverbindlichkeiten zeitgerecht zu bedienen

Das Thema "Kurzarbeit" erscheint auf alle Fälle ein zwingender wirtschaftlicher Grund zu sein. Diese "zwingenden wirtschaftlichen Gründe" werden nachzuweisen sein (dringende Empfehlung: gute Dokumentation), gegebenenfalls auch gegenüber einer Versicherungsgesellschaft oder Pensionskasse.

 

Ist in einem Unternehmen ein Betriebsrat vorhanden, so ist mindestens drei Monate vor dem Aussetzen oder Einschränken ein Beratungstermin mit diesem erforderlich. Ist dieser nicht vorhanden, so ist umso mehr Obacht bezüglich Dokumentation und Information der Arbeitnehmer walten zu lassen.

die Praxis beim einstellen und aussetzen von bav-lösungen in österrech

Zukunftssicherung (das 300 euro-Modell)

Nur in den wenigsten Fällen wurde dazu auch eine arbeitsrechtliche Grundlage geschaffen (Betriebs- oder Einzelvereinbarung), sondern eben "nur" Versicherungsverträge zu Gunsten der Arbeitnehmer abgeschlossen. Mangels gesetzlich erforderlicher Vereinbarung ist ein einseitiges Aussetzen oder Einschränken somit in diesen Fällen ohnehin nicht möglich. Wurde eine arbeitsrechtliche Grundlage doch geschlossen, so genügt ein kurzer Blick in diese, ob die einseitige Möglichkeit überhaupt besteht.

 

In beiderseitigem Einvernehmen ist ein Aussetzen oder Einschränken auf Dauer natürlich möglich (was bei vielen Arbeitnehmern naturgemäß schwierig sein wird). Ist ein Betriebsrat vorhanden, so kann in beiderseitigem Einvernehmen natürlich auch ein Aussetzen oder Einschränken unabhängig von der im BPG definierten dreimonatigen Frist stattfinden.

 

Mehr zur Zukunftssicherung finden Sie hier.

pensionskasse/betriebliche kollektvversicherung

Hier ist eine arbeitsrechtliche Grundlagenvereinbarung ohnehin zwingend um überhaupt eine solche Lösung begründen bzw. Arbeitnehmer einbeziehen zu können. Erfahrungsgemäß weisen diese Vereinbarungen auch die Möglichkeit des einseitigen Aussetzens oder Einschränkens auf.

 

Bezüglich gegenseitigem Einvernehmen und Betriebsrat gilt grundsätzlich das bei der Zukunftssicherung Angeführte.

 

Mehr zu Pensionskasse und betriebliche Kollektivversicherung finden Sie hier.

direkte leistungszusage

Die direkte Leistungszusage (dLZ) wurde/wird auch vielen Personen erteilt, welche nicht dem BPG unterliegen (wobei dessen Anwendung manchmal vereinbart wird). Generell stellt sich bei der dLZ die Frage, was eigentlich die "Anwartschaft" bzw. was der "Erwerb neuer Anwartschaften" eigentlich ist und wie sich ein Aussetzen oder Einschränken auswirkt. Erfahrungsgemäß werden direkte Leistungszusagen seit längerem fast ausschließlich mittels einzelvertraglicher Vereinbarung ("Pensionszusage") erteilt.

 

Um es kurz zu halten, möchte ich hier zu zwei Varianten ein Beispiel aufzeigen, welche in der Praxis vorherrschend sind:

 

LEISTUNGSORIENTIERTE ZUSAGE

  • Zusage erteilt am 1.1.2015
  • Pensionsdatum laut Zusage mit EA 65 am 1.7.2038
  • zugesagte Pensionshöhe mit EA 65: EUR 1.000
  • Aussetzen des Erwerbs neuer Anwartschaften für drei Monate
  • Aufbau der Anwartschaft von 1.1.15 bis 1.8.2038 (23 Jahre, 6 Monate)
  • für drei Monate wird keine Anwartschaft erworben (also für 1,06 % der Anwartschaftsdauer)
  • die Pensionsleistung reduziert sich durch das Aussetzen um EUR 10,63 (1,06%)

BEITRAGSORIENTIERTE ZUSAGE (direkte Leistungszusage in beitragsorientierter Form)

  • Zusage erteilt am 1.1.2015
  • Pensionsdatum laut Zusage mit EA 65 am 1.7.2038
  • zugesagte Pensionshöhe mit EA 65: Ergebnis einer Rentenversicherung mit Monatsprämie iHv EUR 500,00 (Stand inkl. Gewinnbeteiligungsprognose vor Aussetzen: EUR 348,64
  • für drei Monate wird keine Anwartschaft erworben (in die Bemessungsgrundlage Rentenversicherung werden keine Beiträge geleistet)
  • die Pensionsleistung reduziert sich durch das Aussetzen um EUR 4,69 (1,34 %)

Es ist ersichtlich, dass das Aussetzen für drei Monate in diesem Beispiel eher geringe Auswirkungen auf den Arbeitnehmer hat.

 

Bezüglich gegenseitigem Einvernehmen und Betriebsrat gilt grundsätzlich das bei der Zukunftssicherung Angeführte.

 

Bei Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer könnte es aus Gründen des Fremdvergleichs ratsam sein, ein Aussetzen und Einschränken auch bei eigenen Zusagen vorzunehmen, wenn dies erforderlich und in der Zusage vereinbart ist (und vereinbart sollte es, wiederum aus Gründen des Fremdvergleichs, sein). Unbedingt aber dann, wenn bei "normalen" Arbeitnehmern ausgesetzt oder eingeschränkt wird. Innerhalb der Arbeitnehmer ist auf alle Fälle bei allen bAV-Lösungen eine Gruppenbildung zu beachten (vorzugsweise bei allen gleichermaßen aussetzen oder einschränken, es wären aber durchaus Differenzierungen denkbar).

 

Mehr zur direkten Leistungszusage finden Sie hier.

die rolle der Versicherungsgesellschaft bei aussetzen und einschränken

Pflichten

Es trifft den Versicherer (bei Pensionskassenlösungen: die Pensionskasse) zweifelsohne eine gewisse Sorgfaltspflicht bzw. müssen auch gewisse Rechte von Anwartschaftsberechtigten gewahrt werden. Die Gründe für das Aussetzen oder Einschränken sind dem Versicherer bzw. der Pensionskasse plausibel zu belegen. Es stellt sich jedoch die Frage der Zumutbarkeit für den Versicherer (Pensionskasse). Es wird nicht zumutbar sein, dass dieser eine Bilanzanalyse des Unternehmens anstellt. Ebenso werden viele zwingenden wirtschaftlichen Gründe und die betreffenden Branchen auf der Hand liegen (beispielsweise die Coronakrise in der ersten Jahreshälfte 2020), ohne dass es weiterer Berechnungen/Belege (zB eines Wirtschaftsprüfers) bedarf. Auch ist zu unterscheiden zwischen Zukunftssicherung/betrieblicher Kollektivversicherung/Pensionskasse einerseits und direkter Leistungszusage (und bei dieser wiederum ob die begünstigte Person überhaupt dem BPG unterliegt).

 

Arbeitsrechtlich verantwortlich ob und wie lange diese zwingenden wirtschaftlichen Gründe vorliegen ist das Unternehmen. Versicherer oder Pensionskasse sollten jedoch zumindest das Unternehmen informieren bzw. beizeiten nachfragen ob diese Gründe noch vorliegen. Verantwortlichkeit könnte sich aber auf alle Fälle aus einer vorgelagerten Beratungsleistung ergeben.

 

Liegt gegenseitiges Einvernehmen vor, so sollte für Versicherer/Pensionskasse kein Zweifel bestehen. Es geht wie gesagt nur um zukünftig zu erwerbende Ansprüche.

PRÄMIENFREISTELLUNGEN/REDUKTIONEN WEGEN AUSSETZENs ODER EINSCHRÄNKEN

Reine Prämienfreistellung ohne paralleler Rechtsgrundlage

Vorab sei erwähnt, dass eine reine Prämienfreistellung eines Versicherungsvertrages keine Auswirkungen auf die Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber hat. Vielmehr müssen entweder die Voraussetzungen laut BPG vorliegen bzw. das Aussetzen/Einschränken auch vereinbart sein. Wird beispielsweise eine Zukunftssicherung vom Arbeitgeber beitragsfrei gestellt (bzw. vom Versicherer mangels Prämienzahlung), so ändert dies nichts an der arbeitsrechtlichen Verpflichtung zur Beitragsleistung. Der Arbeitnehmer hat auf alle Fälle einen durchsetzbaren Anspruch auf diese Zahlungen.

 

Noch eklatanter ist dies bei Pensionsrückdeckungsversicherungen. Diese hat grundsätzlich nichts mit der Anwartschaft auf Pensionsleistung zu tun (bei beitragsorientierten Zusagen nur indirekt). Werden Pensionsrückdeckungen beitragsfrei gestellt (wenn auch mit Zustimmung des Pfandgläubigers), so ändert dies nichts an der Verpflichtung des Arbeitgebers. Dies gilt gleichsam bei einer beitragsorientierten Zusage. Es bedarf:

  • einer Vereinbarung zum Aussetzen/Einschränken (einvernehmen) oder
  • Erfüllen der Voraussetzungen und einer vorgelagerten Information an den Arbeitnehmer (bei einseitigem Aussetzen oder Einschränken, welcher in der ursprünglichen arbeitsrechtlichen Grundlage vereinbart ist)

Es besteht bei direkten Leistungszusagen oftmals die irrige Annahme, dass die Prämie in den Versicherungsvertrag "die Anwartschaft" darstelle. Darauf sollte der Versicherer den Arbeitgeber unbedingt hinweisen.

 

Rechnungsgrundlagen beim Versicherer sollten wenn möglich, insbesondere bei Pensionsrückdeckungsversicherungen, bei kurzfristigem Aussetzen oder Einschränken (egal ob einseitig oder einvernehmlich) und dem damit einhergehenden Prämienfreistellen/Reduzieren erhalten bleiben wenn die Zahlung wieder normal läuft. Dies sollte unbedingt mit dem Versicherer im Vorfelde besprochen oder vereinbart werden. Im Regelfalle werden viele der österreichischen Versicherer in diesen Fällen kunden- und serviceorientiert vorgehen.

Empfehlungen zum aussetzen oder einschränken

  • wenn möglich einvernehmliche Lösungen anstreben, diese sind besser definierbar und wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, schneller umsetzbar,
  • Vereinbarungen prüfen ob überhaupt einseitiges Aussetzen oder Einschränken möglich ist. Wenn nicht, so ist nur der einvernehmliche Weg offen
  • wenn einseitig möglich ausreichend dokumentieren bzw. wenn ein Betriebsrat vorhanden ist so schnell wie möglich eine Konsultation anstreben und vor der Maßnahme informieren
  • bei Einvernehmen immer schriftliche Zusatzvereinbarung über das Aussetzen. Eine reine Prämienfreistellung der Versicherungslösung ist nicht ausreichend

Ebenso sollten gerade bei direkten Leistungszusagen bei Wiedereinsetzen des Erwerbs neuer Anwartschaften die zugrundeliegenden Zusagen modernisiert werden. Hier bieten beitragsorientierte Zusagen einige wesentliche Erleichterungen (mehr dazu finden Sie hier).

 

Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Ansprechpartner oder einen Spezialisten. Der überwiegende Teil der Fälle wird einfach und unkompliziert zu lösen sein. In Sinne von Arbeitgeber, Arbeitnehmer, aber auch Versicherer/Pensionskasse sollte diese Lösungen aber nicht überstürzt und sauber sein.

 

Gerne stehen wir für Fragen zur Verfügung.

 

Beste Grüße und bleiben Sie gesund!

 

Markus Reindl